Das fadenscheinige Argument der Rekordsteuereinnahmen - was wirklich wichtig ist

Fast jedes Jahr das gleiche Spiel in den Meldungen verschiedener Zeitungen: "Der Bund nimmt eine Rekordmenge von Steuern ein" - "Die Steuereinnahmen erreichen einen neuen Rekord". Doch was ist dran? Und ist das überhaupt wichtig?

Das fadenscheinige Argument der Rekordsteuereinnahmen - was wirklich wichtig ist
Photo by Jon Tyson / Unsplash

Die Opposition nutzt diese Meldungen gerne, um die Regierung zu kritisieren, weil sie trotz Rekordeinnahmen Probleme in der Ausarbeitung des Haushalts haben und doch jetzt endlich mal die Steuern senken sollen. Gerne hört man dann immer Argumente, dass der Bund kein Einnahme Problem, sondern ein Ausgabeproblem habe, wenn es um Lücken im Bundeshaushalt geht.

Auch Befürworter für die Schuldenbremse springen gerne auf diesen Zug und argumentieren, dass es ja genug Geld vorhanden ist, da der Bund schließlich mit Rekordeinnahmen arbeiten kann.

Haben dir kritischen Stimmen nun recht? Auf den ersten Blick, ja. Wenn wir die Entwicklung von Steuern, die der Bund einnimmt, genauer betrachten, ist klar zu erkennen, dass der Bund aktuell mit Rekordeinnahmen arbeiten kann. Zusätzlich nehmen wir auch die Sozialeinnahmen mit ins Bild, und sehen auch hier stetig wachsende Rekordeinnahmen. Jedoch erzählen diese oberflächlichen Zahlen nicht die ganze Geschichte.

Zur Wahrheit gehört auch: Rekordeinnahmen sind der Standardfall und keineswegs eine Überraschung. Eine Meldung wert sollte vielmehr eine der seltenen Fälle sein, bei dem ein Jahr nicht den Einnahmerekord gebrochen hat. Das war zuletzt 2009, 2010 und 2020 der Fall - also während Finanz- und Coronakrise. Aber warum steigen die Steuereinahmen jedes Jahr?

Um das zu erklären, genügt ein Blick auf das deutsche BIP (Bruttoinlandsprodukt). Durch Wirtschaftswachstum und Inflation wächst dieses jedes Jahr. Auch aktuell in den letzten Jahren, trotz wirtschaftlicher Stagnation und leichter Rezession. Durch das 2% Inflationsziel der EZB ist fast immer davon auszugehen, dass das nominale BIP (also das BIP ohne Inflationsbereinigung) steigt. Das Steueraufkommen ist direkt mit der Wirtschaftsleistung verbunden und somit steigen auch die Steuereinnahmen.

In Kontext gesetzt sehen wir gleich, dass sich die Steuereinahmen immer zusammen mit der Entwicklung des BIP bewegt. Dementsprechend sind steuerliche Rekordeinnahmen zu erwarten, solange folgende Gleichung gilt: Wirtschaftswachstum + Inflationsrate > 0%. Denn das wird immer zu einem wachsenden BIP und somit - keine steuerrechtlichen Änderungen vorausgesetzt - zu mehr Steueraufkommen führen.

Aber Moment mal, wir können der Regierung ja jetzt nicht einfach immer steigende Steueraufkommen durchgehen lassen und immer treudoof darauf verweisen, dass das ja ganz normal ist. Vielleicht werden die Bürger und Unternehmen ja trotzdem stärker besteuert als je zuvor? Und hier kommen wir schon zu der relevanten Kenngröße, um Steueraufkommen zu messen: Die relative Höhe gemessen am BIP - die sogenannte Steuerquote.

Mit den Daten in die richtige Perspektive gesetzt lässt sich leicht erkennen, dass nominal zwar von Rekordeinahmen berichtet werden kann, die Steuerquote von 2023 mit 16,96% sich z.B. kaum von der Kennzahl von 2019 unterscheidet (16.92%). (2019 als letztes "normales" Jahr vor Corona zum Vergleich gewählt). Rekordsteuereinnahmen gemessen an der Steuerquote, werden nicht jedes Jahr erzielt. Die Rekordsteuerquoten im Betrachtungszeitraum fielen auf 1999 mit dem absoluten Maximum von 18,41% und 2020 mit dem höchsten Wert der letzten 10 Jahre mit 17,63%.

Fazit

Durch einen kritischen Blick auf die Zahlen und durch die Einführung der relevanten Kenngröße -die Steuerquote -, wird einem schnell klar, dass Politiker oder andere öffentliche Personen, die das Argument der Rekordeinnahmen nutzen, sich dabei jedoch nur auf nominale (nicht inflationsbereinigte) Zahlen beziehen, bestenfalls keine Experten in Wirtschafts- und Finanzfragen sind.

Viel wichtiger ist jedoch zu erkennen, dass auch hier in dieser Frage einfache Erklärungen uns nicht weiterhelfen. Diskussionen, die sich um die falsche Grundlage drehen sind am Ende fast wertlos.