Staatsverschuldung - Deutschland steht besser da als gedacht
Diskussionen um die Staatsverschuldungen drehen sich oft im Kreis, weil die falsche Zahl betrachtet wird. Mit der richtigen Kenngröße sehen wir gleich, dass Deutschland viel besser da steht, als die allgemeine Stimmungslage vermuten lassen würde.
Staatsverschuldung ist einer dieser Themen, bei denen man bei oberflächlicher Behandlung nur Bauchschmerzen bekommen kann. Scheinbar in immer schwindelerregenden Höhen dreht sich die Schuldenspirale. Aktuell Zahlen für 2023 zeigen den Schuldenstand bei 2,69 Billionen Euro. Zur Verdeutlichung ausgeschrieben: 2.690.000.000.000 €. Für eine normale Person eine unvorstellbare Größe. Wo soll das noch hingehen? Wie soll das jemals bezahlt werden? Und werden hier nicht die nachkommenden Generationen belastet?
Nun, da kann ich erst einmal beruhigen. Deutschland steht so gut da wie schon seit Jahren nicht mehr und die Tendenz geht auch in die Richtung der Entschuldung (Auch wenn das nicht unbedingt gut sein muss - ein Thema für einen anderen Artikel). Aber wie kann das sein? Heißt es nicht, dass die Bundesregierung seit Jahren rote Zahlen schreibt und die Schuldenlast immer weiter steigt? Ein oberflächlicher Blick auf die Zahlen zeigt schnell: die nominale Schuldenlast steigt tatsächlich seit einigen Jahren:
Die Tatsache ist erst mal nicht von der Hand zu weisen. Deutschlands Schuldenstand ist über die letzten Jahre gewachsen. Seit dem Ausbruch der Corona Pandemie wurden jedes Jahr neue Schulden angesammelt. Doch ist das wirklich so schlimm?
Wichtig ist zu betonen, dass dieser Schuldenstand jedoch nicht im Vakuum existiert. Schulden, oder zumindest die Zinsen, müssen zurückgezahlt werden. Um das zu bewerkstelligen, braucht der Staat bei mehr Schulden auch mehr Einnahmen, was durchaus der Fall ist, wie hier zu lesen ist.
Außerdem sollte verstanden werden, wie Schulden gemessen werden. Klar, erst mal werden Schulden ganz einfach in einer Summe von X Euro gemessen. Dieser Wert ist aber nicht wirklich aussagekräftig. Fast jeder von uns hat zwischen 2022 - 2024 im eigenen Leben die Auswirkungen der Inflation gespürt - der Euro wurde über die letzten Jahre einfach stark entwertet. Das beeinflusst aber auch die Schulden - diese wiegen dadurch auch weniger stark.
Also wie wird die Staatsverschuldung richtig gemessen? Sie wird in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt gesetzt. Was auch Sinn macht, denn wer wirtschaftlich stärker ist, kann auch größere Mengen an Schulden verkraften. Wenn wir auf die Entwicklung von BIP und der Staatsverschuldung blicken, können wir sehen, dass sich beide Werte nach oben entwickeln.
Um die Gegenüberstellung dieser Zahlen zu vereinfachen, nutzt man die Schuldenquote. Diese erschließt sich aus dieser einfachen Formel: Schuldenstand / BIP (nominell). Mit der daraus resultierenden Quote lässt sich leicht erkennen, wie sich der Schuldenstand im Kontext zur Wirtschaftsleistung einer Nation entwickelt. Hier ein Blick in die deutsche Schuldenquote:
Folgende Punkte fallen auf:
- Durch die Einführung der Schuldenbremse wurden die Schuldenquote stetig reduziert
- In den Jahren der Coronapandemie sind die Schulden sprunghaft angestiegen
- Nach der Bewältigung der größten Einschränkungen durch die Pandemie wurden Schulden wieder abgebaut - trotz Ukrainekrieg und Wachstumsflaute in der Wirtschaft
- Die Schulden von 2023 belaufen sich auf dem niedrigsten Stand seit Jahren - in den letzten 15 Jahren gab es nur 2 bessere Jahre 2018 und 2019
Fassen wir zusammen: Deutschland steht mit Blick auf die Schuldenquote sehr gut da - besser als in den meisten Jahren der letzten 2 Dekaden. Doch was fängt man mit der Information an? Hier ein paar Gedanken:
In Zeiten turbulenter Wirtschaftsentwicklungen, wirft es Fragen auf ob wirklich sinnvoll ist Schulden abzubauen. Sollte dieses Geld nicht besser für Investitionen in den Standort Deutschland verwendet werden, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu bewahren? Zwischen 2022 und 2023 ist die Schuldenquote z.B. um über 2% gesunken von 66,08% auf 63,64%. Gemessen am BIP zu dieser Zeit sind das über 80 Mrd. Euro an effektiver Entschuldung. Dieses Geld sinnvoll zu investieren, hätte uns wohlmöglich von der Rezession in ein Wirtschaftswachstum geführt, was wieder weitere Freiräume geschaffen hätte.
Außerdem sieht man einen Trend in der Staatsverschuldung bei einigen Nationen, die wirtschaftlich aktuell bessere Zahlen vorweisen. Ganz prominent ist hier die USA zu nennen, die über extreme Staatsverschuldung in den letzten Jahren ihr Wirtschaftswachstum unterstützt hat. Klar, die USA ist ein Extrembeispiel und auch ein Sonderfall, da der Dollar praktisch die Weltwährung ist. Trotzdem wirft das auch die Frage auf, ob der Schuldenabbau in Zeiten von wirtschaftlicher Schwäche nicht kontraproduktiv für die hiesige Wirtschaft ist.
Gedankengänge in diese Richtung hinterfragen natürlich auch den Sinn oder Unsinn der aktuellen Schuldenbremsenregelung. Das überlasse ich aber erst mal den Schlussfolgerungen der Leser.